27. August 2016

Lesen und Schreiben und ich.

Zuerst wurde mir vorgelesen. Mindestens jeden Abend am Bett vor dem Schlafen, oft aus der Kinderbibel, genau dieser hier [amazon.de] [ein Hoch auf das Internet, immer noch und immer wieder, aber dazu komm' ich später]. Gelesen hat witzigerweise in meiner Erinnerung meist Mama, obwohl sie für sich selbst überhaupt keine Leseratte ist. Damals hießen Absätze bei mir Büschel, das Wort hab ich wohl allein erfunden - "Nicht aufhören, Mama - nur noch  e i n e n  Büschel!!1" [Und ja, die eins am Ende hab ich mitgesprochen damals!].

Schon vor der Schule hab ich dann angefangen zu lesen. Nein, eher zu buchstabieren. Laut. Alles, woran ich vorüberkam. Und damit trieb ich meine Mutter beim Autofahren vom Rücksitz aus dann genauso in den Wahnsinn wie die fünf oder vielmehr wohl so drei, vier Jahre vorher schon mit dem Fragefeuer ab dem Augenaufschlagen jeden Morgen. [Danke, Mama, dass du das ausgehalten hast!]

Ab und zu war ich aus mir unbekannten Gründen [vermutlich Betreuungsschwierigkeiten] kurz bei ihr mit auf der Arbeit, da entdeckte ich dann, also auch noch vor der Einschulung, so ein orange-gelb-durchsichtiges Lineal, in dem vorgestanzte Buchstaben und Zahlen zum Schreibenlernen einluden. Luden, haha!! Und so krakelte ich das ABC in Pseudo-Architektenschrift auf Schmierpapier der Versicherung, bei der meine Mutter damals arbeitete. Wer braucht diese gelben Dinger eigentlich in echt, also beim Arbeiten? Weiß man da schon was genaues?!

Die meisten Inhalte der ersten Schuljahre hab ich nicht mehr abgespeichert, die sind weg. Wie ich dann also "richtig" lesen und schreiben gelernt habe... keine Ahnung. Gefühlt konnte ich das irgendwie einfach, und alle anderen eher nicht [zumindest, was betontes und überhaupt korrektes Lesen anging].

Erst mit 9 [!] entdeckte ich die Schulbibliothek!!1tausendeinhundertundelf Ab diesem Moment ging's richtig los, ich holte mir den Ausweis und las bestimmt jeden Tag zwischen drei und fünf Stunden, mit rundem Rücken in die Wandecke am Kopfende meines Bettes geknautscht. Meine Mutter beobachtete mit besorgtem Blick am Fenster das Kind auf dem schwankenden Rad mit den Taschen voller Bücher am Lenker und im Korb, das jede Woche zur Bibliothek eierte und erkundigte sich beim Kinderarzt, ob soviel Lesen gesundheitsschädlich sei, aber er beruhigte sie [zum Glück!]: Schließlich spielte ich trotzdem auch mit anderen Kindern! Herrliche Zeiten. Ich fräste mich durch alles, was ich finden konnte, den gesamten Kinder- und Jugendbuchbereich, bis ich 12 war - dann hatte ich fertig. Ich kannte alles, was es dort für mein Alter gab.

Weil ich mich mit der nur 10-15 Jahre älteren neuen Bibliothekarin Frau Jobst [die da heute noch arbeitet, mittlerweile als Leiterin! Ich hab sie letztes Jahr dort getroffen, sie schenkte mir ein Buch! <3] gut verstand, legte sie mir alles, was neu kam und mir gefallen könnte, zurück. Meinem Lesehunger genügte das aber natürlich nicht. Also verhandelte ich und durfte, nach Unterschrift meiner Eltern auf einem formularähnlichen Blatt, endlich den Erwachsenenbereich entern, der ansonsten erst ab 16 zu haben war.

Wolfgang Hohlbein! Steven King! Barbara Cartland [oh, ja...]! Ich las sie alle. Nebenbei hatte ich natürlich auch schon sämtliche Reader's Digest-Bände mit je 3-4 [gekürzten!, wie ich erst mit Anfang 20 kapierte!] Romanen aus dem Wohnzimmerschrank meiner Eltern durchgeackert. Und seitdem ich 10 war Tagebuch geführt. Ich besitze über 20, glaube ich - ja, Tagebücher, die mit Postkarten und Bildern und Fotos und Eintrittskarten und Briefen und Freundschaftsbändern als Belegen [m]eines ausgefüllten Lebens derart angereichert wurden, dass sie noch heute dauerhaft im Winkel von 45 Grad offenstehen.

Mit ca. 15 ritt mich dann der Teufel: Ich bat meine Eltern, einen 10-Finger-Schreibkurs machen zu dürfen. [WTF, in der Tat.] Der dauerte insgesamt 1,5 Jahre, fand wöchentlich unter Ausnahme der Schulferien statt und ermöglicht mir bis heute ein Tippen mit um die 300 Anschläge pro Minute, wenn es sein muss. So! praktisch! für quasi alles. [Danke, Eltern!]

Heute [~seit ein paar Jahren] schreibe ich so wenig wie schon lange nicht in meinem Leben, lese aber immerhin seit ein paar Wochen wieder wie eine Verrückte. [Bücher-!] Lesen hat mir gefehlt, das ist mir viel zu spät aufgefallen. [Wer mich bezüglich gelesener Bücher stalken will, kann das hier bei Goodreads machen - aber bitte unter Berücksichtigung der Legende zum Stern-Bewertungsschema!] Bücher nicht zu Ende lesen müssen hilft mir in letzter Zeit sehr, u.a. der Durchhalte-Wunsch hatte meine Leselust in den letzten Jahren nämlich komplett verebben lassen.

Schreiben [i.e. mich differenziert und hoffentlich auch pointiert ausdrücken] fehlt mir genauso; nicht nur, aber auch aus diesem Grund geht's jetzt wieder los hier. Enjoy.

PS: Um noch kurz auf's Internet zu kommen: Es eröffnete mir durch eMails Briefverkehr = Gedankenaustausch mit noch mehr Menschen gleichzeitig, weil es sich durch die enorme Geschwindigkeit des Versendens und Erhaltens fast schon wie telefonieren anfühlte. Natürlich druckte ich alles immer aus und legte es in meine Tagebücher!!1

2 Kommentare:

  1. Lesen ist großartig, kann ich so unterschreiben. Ich lieh aus der Bibliothek stets so viele Bücher aus, wie erlaubt war; später machte ich ein Praktikum dort und durfte ab dann auch mehr, was natürlich völlig verrückt war, denn man durfte eh schon 40 Medien gleichzeitig. Und: Mails ins Tagebuch kleben ist ja mal absolut großartig. Und vielleicht einer von sehr, sehr wenigen guten Gründen, das Internet auszudrucken.

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    1. Danke für deinen Kommentar - hat mich gefreut [nach so langer Stille meinerseits...]!

      Ja, ich bin heute auch noch wirklich crazy, das hab ich gar nicht geschrieben - ich leihe aus der Bib, kaufe ständig neu und habe einen SUB von > 90 im Regal...

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