8. Juni 2020

"Quitte, Kohl, Melone und Gurke" - Cotán [1602] - #kunstderwoche

Wie schon bei meinem vorigen #kunstderwoche-Beitrag war es auch bei diesem Bild: gesehenZACK!verliebt.

Juan Sánchez Cotán [Wiki] hat mich mit "Quitte, Kohl, Melone und Gurke" vermutlich deswegen so dermaßen geistig überrannt, weil ich diese Art der Stillleben vorher überhaupt nicht kannte. Ich verband die stillen Lebensbilder bis jetzt ausschließlich mit diesen dunklen prunkigen tuchverhangenen Tischen, auf denen dekorativ Weintrauben, liegende leere Weingläser und Totenschädel verteilt herumliegen, oder auch diverse Obstschalen... [erstere werden Vanitas-Stillleben genannt, wie ich jetzt weiß]. Das hier, das ist etwas ganz anderes, kubistisch-modernes, findet ihr nicht?

Fra Juan Sánchez Cotán 001
[Öl auf Leinwand, 69x 84,5 cm]

Zusätzlich finde ich die Kombination der dargestellten Objekte total reizvoll, im wahrsten Sinne des Wortes - es reizt mich nämlich, länger hinzuschauen, warum gerade diese vier und wieso in dieser Reihenfolge; ich meine, Quitte [Obst!], Kohl [Gemüse!], angeschnittene [!] Melone [Beere = Obst?! Gemüse?!], Gurke [Gemüse!]... was soll das werden? Ein Gericht ja wohl kaum.

Quitten können vom Spätsommer bis in den November geerntet werden. Kohl geht ja immer, ich hab gerade auf Wiki herausgefunden, dass quasi alles Kohl ist - die dortige Übersicht der Kohlarten lohnt sich wirklich mal zu überfliegen! - Über die exakte Melonenart hab ich mir auch eigene Gedanken gemacht, komme aber auf keinen grünen Zweig: Es ist eine Netz- und keine Wassermelone, aber mit schneller Wiki-Recherche finde ich keine, die definitiv in Spanien um 1600 gemalt sein könnte... Evtl. Cantaloupe? Gurke und Melone sind beides Kürbisgewächse, wer hätte das gedacht.

Bei der Suche nach Bildbesprechungen bin ich in Foren gelandet, in denen Nutzer [wie ich] keine Ahnung haben, aber das Bild gleich im ersten Anlauf "zum Lachen" finden [hier die gesamte, echt amüsante Unterhaltung über das Bild], was ich nun gar nicht nachvollziehen kann. Ihr?! Immerhin ist denen auch die hängende Kurvenform der abgebildeten Gegenstände, nennen wir sie Früchte, aufgefallen, die in ihrer Perfektheit bestimmt auch etwas zu sagen hat. Ich vermute, dass der Maler, um das ganze abwechslungsreicher zu machen, die Gegenstände auch immer weiter nach vorn gezogen hat, so dass Gurke und Melonenstück beinahe schon balancieren!

Die Präsentation in einer solchen Steinnische ist Cotáns Erfindung und wurde dann später auch von anderen kopiert. Witzig: Er hat die Nischen laut Wikipedia auf Vorrat gemalt - ein praktischer Mensch also, sehr sympathisch. Praktisch ja auch das Aufhängen an den Fäden, eine damals übliche Praxis, die die Haltbarkeit der Speisen verlängert hat.

Noch kurz die Pflicht, aber nur mit Links, sorry-not-sorry:
Grundsätzliches zum Stillleben ab 1600 auf Wiki, etwas unnerdiger abseits der Wiki vorgestellt hier, und dann gibt es noch den Begriff Bodegón, den ich euch auch nicht vorenthalten kann: "Während im Spanischen die Bodegones mit Stillleben im Allgemeinen, also solchen aus allen Epochen und Kunstlandschaften gleichgesetzt werden, fokussiert sich im internationalen kunsthistorischen Sprachgebrauch der Begriff auf die spezifische Ausprägung dieses Genres in der spanischen Malerei seit 1600."

Es handelt sich bei unserer Nische also in jedem Fall um ein Bodegón, vermutlich ohne religiösen symbolischen Bezug, weil Cotán erst kurz danach zum Mönch wurde. Tataa.

PS: Ausgestellt ist es in San Diego/CA, falls jemand es in echt bewundern möchte? [Ich war im Februar in San Diego, aber natürlich leider nicht in dem Museum...]