Eine Blogparade, initiiert von Wibke Ladwig [sinnundverstand.net], ich hab's zuerst beim jawl gesehen. Los geht's! [Auch, wenn ich definitiv keinen der 'neuen' Berufe ausübe.]
"Und was machen Sie so beruflich?" - Als erstes antworte ich auf diese Frage immer, dass ich Mathematiker bin. Das stimmt auch, ist aber irgendwie nur die halbe Wahrheit, jedenfalls bezogen auf das, was ich heute mache. - Nach der Schule wussten meine Eltern und ich nicht, was ich werden sollte. Ich wusste blöderweise aber auch nicht, was ich werden wollte - nur, was nicht. Tja. Sozusagen aus Mangel an Ideen und Überfluss an Interessen hab' ich dann mein Lieblingsfach studiert, weil man damit später ja auch 'alles' werden kann.
Nach der Uni in OL diplomierte ich bei Fraunhofer in Kaiserslautern, deren einzigem reinen Mathe-Institut - und blieb hängen. Erst mit wackligen Promotionsideen, dann ohne Dr., aber mit echter Stelle. Seit streng genommen 2008 arbeite ich nun als wissenschaftliche Angestellte in der Abteilung Bildverarbeitung [BV] am Fraunhofer Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik. Uff. Im folgenden längliche Ausführungen darüber, was ich da so mache.
Zuerst mal allgemein: In meiner Abteilung BV werden Bilder, oder besser, Aufnahmen verarbeitet - wer hätte das gedacht: In 3D, 2D und manchmal auch Signale in 1D. BildVERarbeitung ist übrigens auch nicht das gleiche wie BildBEarbeitung, wobei VER die BE mit einschließt, oder anders: BildBEarbeitung ist ein Teil der VERarbeitung von Bildern. Weil man die Analyse, also die Gewinnung von Informationen aus dem Bild, eigentlich immer vor- und nachbereiten muss, indem man entrauscht, glättet oder auch nachher Strukturen 'rausradiert', die nicht gewünscht sind.
Die Ziele, die gewünschten Ergebnisse sind dabei durchaus unterschiedlich: In der einen Gruppe bei uns werden Materialien charakterisiert, so wird beispielsweise die mittlere Porengröße von einem Bauschaum aus einer CT-Aufnahme eines Kubikzentimeters eben dieses Schaumes ermittelt. Die dann bisweilen von den Angaben des Herstellers doch ein bißchen abweichen kann. Oder auch Aufschluss darüber gibt, dass man den Schäumungsvorgang eventuell langsamer durchführen muss, damit die Porung gleichmäßiger wird. [Ist wie beim Brot backen und der Gehzeit, ne?] In einer anderen Gruppe werden Ultraschall-Aufnahmen von großen Metallteilen wie z.B. Schiffsschrauben gemacht. An Hand dieser Aufnahmen kann dann festgestellt werden, ob etwa in Schweißnähten bereits Fehlstellen oder Risse sind. Und - last but not least [wollt' ich lang' schon mal schreiben -.-] - arbeite ich in der Gruppe Oberflächeninspektion. Wir liefern speziell angefertigte Inspektionssysteme aus.
Denn: Kratzer, Dellen, Verfärbungen, ... sowas möchte niemand auf der Rückseite seines neuen Handys oder sonstwo haben. Wenn ihr wüsstet, was man alles heutzutage vor dem Werksausgang optisch kontrolliert! Ja, auch die Zähne der Verstellräder für eure Autorücksitzlehnen. Klaro, die Ränder von Papieretiketten auch, wie von denen auf Bierflaschen. Lippenstifthülsen werden auch abgecheckt - abä sichä. Kratzer geh'n da gar nich'! Usw. usf. ...
Also, was mache ich nun aber den ganzen Tag?
* Algorithmik.
Ich entwickle Algorithmen, die in den Aufnahmen [=Bildern von Produkten] nach vorher spezifizierten Fehlern, aber auch nach generellen Auffälligkeiten [= Änderungen in der Textur oder sowas] 'suchen'. Man kann sich das Bild bzw. dessen Grauwerte als Grauwert'gebirge' vorstellen, aus dessen Höhenunterschieden dann über viele, viele Einzeloperationen Informationen gewonnen werden.
* Projektleitung.
Wir liefern nicht nur die Algorithmik, sondern eben komplett durchdesignte, individuelle Inspektionssysteme an Kunden aus: PCs, Kameras, Beleuchtung, ... Da muss einiges koordiniert werden, sowohl zwischen uns und dem Kunden als auch zwischen mir und Kollegen. Manchmal sind wir fünf oder mehr Leute an einem Projekt, und da [eigentlich schon ab zweien] muss einer den Hut aufhaben, sonst läuft's nicht. Kennt man ja.
* Kundenbetreuung/Akquise.
Darunter kann sich jetzt jeder was vorstellen, auch ohne Erklärung, ne? [Jup, ich muss auch dann und wann auf eine Messe und dann dort stundenlang stehend erklären.]
* Vorträge/Schulungen.
Zum einen gilt es auf der Messe oder auf Technologietagen zu präsentieren, was wir Kunden anbieten können, zum anderen, Software-Schulungen durchzuführen. Wir haben in der Abteilung nämlich zwei Softwares, die wir kommerziell vertreiben. Natürlich ist der Kundenkreis bei so speziellem Kram recht klein, nichtsdestotrotz muss dann und wann [meist] eine kleine Gruppe geschult werden. Und das mache ich dann auch. Mit Einführungsvortrag und Tutorials und Fragerunde und ...
So weit, so interessant, hoffe ich. Falls du noch Fragen hast, beantworte ich die gern in den Kommentaren - trotz allen täglichen Gestöhnes mache und rede ich nämlich gern [über] meine Arbeit. :)
schön, bloggst du wieder! (um das hier auch nochmal zu erwähnen ;) )
AntwortenLöschenund ich hab sogar eine frage. entwickelt ihr in matlab, c/c++, java, oder sonstwas? oder je nach bedarf? habt ihr eure eigenen libraries zur bildverarbeitung, oder verwendet ihr hauptsächlich "standardlösungen"? also natürlich nur soweit du das einfach so verraten darfst :)
(und wenn das hier erscheint, hab ich nen browser gefunden mit dem ich kommentieren kann...)
Wir entwickeln in C++. Manch einer schreibt noch C-Code und einige benutzen manchmal Matlab/R/whatever, um Dinge mal schnell auszuprobieren, aber unser Zeug ist komplett in C++. Wir haben mittlerweile allerdings eine bzw. sogar zwei verschiedene ausgereifte BV-Bibliotheken, in denen das meiste schon vorhanden ist. 3d und 2d, versteht sich. Man muss ja auch nicht ständig das Rad neu erfinden, ne? [Unsere Softwares gibt's auch zum Testen, falls du mal gucken willst - die Demos sind voll umfänglich, was Algs angeht.]
Löschenmal testen ob es jetzt ohne extra-browser geht ;-)
AntwortenLöschenund c++: sehr vernünftig! :)
testen: weiss nicht, ich hab schon lange keine bildverarbeitung mehr gemacht und braucht es momentan auch nicht...
(tatsächlich! liegt wohl an den popup-kommentaren... warum auch immer es sonst nicht geht...)
AntwortenLöschenSchön, dich wieder zu lesen! Ich rede ebenfalls gern über meine Arbeit und höre mir gern an, wenn andere darüber reden. Ein Wort (z.B. Mathematikerin) reicht selten aus, um sich das Ausmaß aller Tätigkeiten und Verknüpfungen vorstellen zu können.
AntwortenLöschenGruß von Symphonee, der Sozialpädagogin :)
:) Schreib' doch bittebitte auch mal so'nen Post!
AntwortenLöschenDas gilt übrigens für alle, die gerade mitlesen. Ich find's IMMER sau-interessant, zu hören, was andere Leute wirklich ;) machen!