29. Mai 2022

Pro Aktivität.

Ich lebe gerade ganz gut, habe viele Privilegien und fühle mich gleichzeitig total ziellos. Der Master ist schon seit einem Jahr geschafft, das Sportprogramm seit weit mehr als einem Jahr komplett auf Eis gelegt, sonstige Hobbies abseitig von Lesen [words, my one and only love] existieren lange nicht mehr; das einzige Kontinuum ist die sich in meiner Lohnarbeit immer weiter und wieder ereignende Veränderung, die mich geistig einigermaßen beschäftigt und am Laufen hält. - Liegt es an Corona? Ich weiß es nicht und glaube es nicht. Der Ukraine-Krieg schrammt an mir vorbei, ich bemühe mich und kann ihn schlecht [er-]fassen - außer in den Auswirkungen auf meine Lohnarbeit, also auch hier Dominanz des gefühlten Außens/nur Reaktion.

Vor einem knappen Jahr hatte ich beschlossen, unbedingt vor meinem 41. Geburtstag diesen August ein [mein], nein, DAS Buch zu schreiben, das ich immer schon schreiben will. In dem Kontext hab ich einiges umgesetzt und bin also quasi tätig geworden, aber auch das alles [Schreibprogramm gesucht, getestet und final gewählt, Literatur über das Schreiben gesammelt und gelesen, mit verschiedensten Menschen einige fruchtbare Diskussionen zum technischen Modus Operandi gehabt, sogar eine Art Pitch entwickelt] ist ... versackt, in a not so good way, gefühlt jedenfalls not so good. Es ist einfach ausgelaufen, eine prokrastinierte Frist wie eine achtlos offen gelassene Tube mit wertvollem und eigentlich auch wertgeschätztem Inhalt.

Nicht nur bezüglich des Buches, dem ich auf Twitter ja sogar todesmutig schon ein Hashtag gegeben hatte [#nonApologie], sondern generell kommt es mir momentan so vor, als ob die Zeit einfach so verrinnt. Ich kenne das Gegenrezept, das mir schon vor mehr als 10 Jahren der ansonsten eher etwas unsympathische Nachbarabteilungsleiter vom Fraunhofer etwas überraschend im Nebensatz verraten hat: Ereignisanker setzen, Erinnerungspunkte erschaffen, damit im Alter das Leben nicht als "schon und viel zu schnell vorbei" empfunden wird.

Auch Meike Winnemuth unternimmt seit einiger Zeit mehr oder weniger jedes Jahr ein Unterfangen,  das jedes Jahr rückblickend greifbar macht, so zum Beispiel ihr Projekt ein Jahr, ein Kleid [daskleineblaue.de], die Weltreise nach der Wer wird Millionär-Teilnahme bei Jauch mit Blog Das große Los! [vormirdiewelt.de], 2014 dann nochmal 12 Städte in Deutschland und schon 2007 einen Marathon etc. - jedes Jahr wird eine Wegmarke gegen das Durchrauschen und Vergessen gesetzt.

Ich hab das sogar auch ein paarmal gemacht, allerdings nie absichtlich, sondern aus Grunderlebnisdrang. Hilft natürlich trotzdem! Zum Beispiel mein Motto-Jahr 2014, in dem ich auf der Suche nach Kreativität und einem zufriedenstellenderen Job jeden Monat etwas anderes machte [Schlagzeug spielen, selbst Kochen, Thema Ausbildung...], oder auch ein Jahr der Gesundheit in 2012, wo ich alle Teile meines Körpers quasi einmal physikalisch prüfte und abchecken ließ und mich kümmerte oder jüngst in 2021 der Masterabschluss.

Im Kontext von "Sachen machen" - ein schon ~ 10 Jahre altes Projekt von Isabel Bogdan, das in diesem Buch [buchkatalog.de] kulminiert ist und das ich GELIEBT habe - schrieb sie mal, dass es zum Sachen machen eben quasi eines Muskels bedarf, der durch das Machen von Sachen trainiert wird. Sie hat es natürlich irgendwie eleganter ausgedrückt, was ich damit aber sagen will ist: Ich finde gerade den Anfang nicht, der Muskel scheint krass geschwächt, es ist ein Elend und ich langweile mich mit mir selbst und tue einfach "nichts". Einzig meine Bücher hab ich geschafft, drastisch auszumisten und einen Teil in den momox-Schlund zu werfen, einen anderen Teil hier im Viertel via Bücherkarton zu verschenken und den dritten aktuell leider noch hinter Schranktüren auf den passenden Einsatz warten zu lassen. Wegwerfen geht nicht.

Naja. In diesem ganzen Kontext von Kreativität und Leben, das und die ich schleifen lasse und nicht weiß, wie aktivieren, dem scheiß Buch, das ich nicht schreibe etc pp hab ich das hier auf Twitter [twitter.com] gelesen, ein Zitat von Annie Dillard, die sinngemäß dazu aufruft, konstant zu produzieren und die eigene Kreativität und Inhalte nicht für irgendetwas bestimmtes "Großes" aufsparen zu wollen.

Und dann unterhielt ich mich mit dem Mann und beklagte mich über Die Große Allumfassende Ziellosigkeit und äußerte meinen Wunsch, wieder zu schreiben. Er stellte mir eine Mörderfrage, wie ich finde:

"Was gibt es denn, womit du dich über die nächsten 12 Monate schreibend beschäftigen könntest? Wozu hättest du Lust, was interessiert dich genug?"

Die Antwort ist mir erstaunlich leicht gefallen: Parallelen. Und was das heißt, seht ihr vielleicht bald.

P.S.:
So, das hier ist also der Korken, an dem ich schon seit Wochen mehr schlecht als recht gedanklich herumlaboriere und der um's Verrecken nicht aus dem blöden Flaschenhals kommen will. Ich zeige ihn euch jetzt einfach mal, das scheint mir ein vielversprechender Weg zu sein. Nicht umständlich und altmodisch formulieren geht anscheinend auch nicht, merke ich, aber was soll's - kann ja nicht jede wie Kathrin Passig alles immer tatkräftig angehen [techniktagebuch.tumblr.com] und sogleich zum Entrümpeln der eigenen Sprache schreiten! ... wobei, hatte nicht gerade die auch dieses Buch mit dem Titel "... ohne einen Funken Disziplin" [buchkatalog.de] geschrieben?! Ich. Muss. Lesen. Gehen.